Sweet! Sweat! Swoop! Leseprobe

Sweet! Sweat! Swoop! Band 1

Verlag: CatMint Verlag
Umfang: 200 Seiten, mit Illustrationen
Preis: 12,80 €
ISBN: 978-3-903282-05-6

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Thalia
CatMint Verlag

Schweißgebadet musste Taro mit ansehen, wie das wertvolle Geschenk seines Vaters bis auf den letzten Tropfen verdampfte. Ihm war zum Heulen zumute. Mit zitternden Händen schnappte er sich die leere Flasche und presste sie an sich. »Ihr Barbaren! Das war so gemein von euch!«

(Könnt ihr euer persönliches Drama jetzt mal zurückfahren und mir zuhören? Hallo?)

Ivan war vom Wasserdampf krebsrot geworden und hatte es sich auf der weniger heißen untersten Stufe der Saunabank bequem gemacht. »Hä?«, er verschränkte die Arme. »Wenn einer von uns barbarisch ist, dann du, Scheißerchen!« Schweiß tropfte ihm vom Kinn.
Hinter ihm begann der klatschnasse Anders bedrohlich zu schwanken.
John lächelte freundlich, schlang sich sein Handtuch um die Hüften und kletterte von der Bank herab. »Du willst also dem Spa-Club beitreten?«
Als er sich neben ihn stellte, wurde Taro etwas mulmig zumute, denn John war groß und kräftig gebaut. Besonders beeindruckte ihn, dass seine Augenbrauen noch dicker waren als seine eigenen.

(Holleri-di-dudl-jö!)

»J… Ja, das will ich«, druckste Taro herum.
John tätschelte ihm den Kopf und deutete auf die Tür. »In dem Fall würde ich sagen, dass du dich erst einmal mit den Grundregeln der Saunaetikette vertraut machst.«
Augenblicklich spannte sich Taro an und salutierte. »Zu Befehl!«

(Wir haben leider keine Zeit für solche Späßchen! Es eilt!)

»Ausziehen, duschen und abtrocknen!«, kommandierte John und öffnete ihm die Tür. Zumindest versuchte er es, denn anstatt diese nach außen zu schwingen, hatte er plötzlich den losen Türgriff in der Hand. Plötzlich ging ein Ächzen durch die Sauna.

(Raus verdammt noch mal, alle raus!)

Die fünf Jungen sahen sich verdattert um.
»Habt ihr das gerade auch gehört?«, fragte Tauno und rieb sich grübelnd das Kinn.
Anders wurde ganz blass um die Nase. »Meinst du dieses seltsame Knirschen, als würde gerade die ganze Hütte zusammenbrechen oder die Stimme in meinem Kopf?«
John runzelte die Stirn und legte den losen Türgriff auf die unterste Bank. »Sagt bloß, ich bin nicht der Einzige, der diesen keifenden Choleriker wahrnimmt?«

(Endlich hört mich mal jemand! Schnell raus, sonst seid ihr gleich Mus!)

»Mus? Was ist Mus?« Taro verstand es nicht recht.
»Matsch, Marmelade, Teewurst, Rügenwalder«, sagte Ivan und zog seinen Saunahut tiefer ins Gesicht. Im nächsten Moment brüllte er auch schon »Raus hier. RAUS!« und sprang mit Anlauf gegen die Holztür. Es gab einen ohrenbetäubenden Knall, als diese in ihre Einzelteile zerbrach.
Just in dem Moment, als sich die anderen von den Bänken erhoben, fielen auch diese auseinander wie zuvor der Türgriff.
Taro nahm die Beine in die Hände und rannte. Rannte, so schnell er konnte, durch den rutschigen Duschraum, hinaus in den geräumigen Clubraum, bis hin zur Tür der Blockhütte, um sich von dort aus mit einem Hechtsprung ins Freie zu retten. Sofort stach die Kälte auf ihn ein wie tausend Nadelstiche. Er konnte sich kaum ausmalen, wie es den anderen vier gehen musste, die lediglich mit einem Handtuch bekleidet waren. Schnee verfing sich in seinem Kragen und rann kalt seinen Nacken hinab. Er federte seinen Sprung mit einer Rolle vorwärts ab. Im nächsten Moment purzelten auch schon die anderen über ihn und ließen ihn prustend den Schnee schmecken.
Hinter ihnen gab die Blockhütte im letzten Todeskampf ein grauenvolles Ächzen von sich, bis sie schließlich in sich zusammenstürzte.

Ivan war der erste, der sich wieder hochrappelte. Von seinem nackten Körper stiegen heiße Dampfwolken auf. Er klopfte sich den Schnee von den Schultern und rieb sich die Arme. »Ich will nicht sagen, dass es kalt ist, aber es ist arschkalt.« Ein eisiger Windhauch wehte sein Handtuch weg.
Ja, er war Ivan. Cool und unnahbar. Er würde sich nichts anmerken lassen. »Hatschi!«, nieste er laut und zog die Nase hoch.
Auch die anderen erhoben sich und blickten verwirrt und ratlos auf den kläglichen Schutthaufen, der einmal eine Blockhütte gewesen war. Auch der hohe Zaun, der im Sommer als Sichtschutz fungierte, wenn sie sich nach einem Saunagang im Freien ausruhten, bestand nur noch aus einzelnen Brettern, die wie Dominosteine umgefallen waren.
»Man könnte fast meinen, es gäbe einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Auftreten dieses Austauschschülers und dem Zusammenbrechen der Hütte«, sagte Tauno mit einem diebischen Grinsen im Gesicht und musterte Taro akribisch.
Taro machte vor Schreck einen Satz zurück. »Ich weiß von nichts, tut mir leid!« Er verbeugte sich hektisch.

(Aufgepasst! In Deckung!)

Der Wind schwoll an. Zuerst war er nur ein Rascheln und Knacken in den Tannenzweigen, doch dann verwandelte er sich in ein ohrenbetäubendes Dröhnen. Aufgewirbelter Schnee raubte allen die Sicht. John schien den Arm zu heben und etwas zu rufen, doch niemand verstand seine Worte. Im nächsten Augenblick schoss ein kleiner Jet wie ein silberner Blitz herab und trieb eine Schneise zwischen die Jungen.
John reagierte blitzschnell. Beherzt packte er Taro und zog ihn zur Seite, gerade noch rechtzeitig, bevor ihm der Düsenflieger eine neue Frisur verpassen konnte. Taro spürte, wie ihm erneut der Schnee in die schweißnasse Kleidung kroch. In jedem anderen Moment hätte er sich wohl gesorgt, ob ihn der Kälteschock krank machen würde. Nun jedoch war er zu aufgeregt, um darüber nachzudenken, ob es hier ebenso gute Erkältungstabletten wie in Japan gab oder er demnächst qualvoll an Männergrippe verenden musste. Was gerade geschah, kam ihm nämlich so bekannt vor, dass sein Herz Freudensprünge machte.

Schon oft hatte er es im Fernsehen gesehen: Fünf ganz normale Schüler standen an einem ganz normalen Tag plötzlich einer ganz und gar nicht normalen finsteren Bedrohung gegenüber. Sie wurden angegriffen – zum Beweis seiner Hypothese schoss der Jet erneut über sie hinweg – und nun fehlte eigentlich nur noch ein niedliches Maskottchen, welches ihnen offenbarte, dass sie zu den Auserwählten gehörten, die für Liebe und Gerechtigkeit in den Kampf ziehen sollten. Der Gedanke erfüllte Taro mit so viel Mut, dass er sich wieder hochrappelte und sich sehnsüchtig umsah.
Wo? Wo? Wo? Irgendwo musste doch ein zauberhaftes Leuchten sein!

Die anderen vier kauerten im Gegensatz zu ihm noch immer frierend im Schnee und versuchten sich einzureden, dass sie alle nur zu lange in der Sauna gesessen waren und die schmerzhaften Eiszapfen unter ihren Handtüchern nur in ihrem Kopf existierten. Besonders Tauno hatte ein entrücktes Lächeln auf den Lippen, als würde ihn der Griff des Eises auf eine befremdliche Art gefallen.
Taro ließ sich jedoch weder von der Kälte noch der nahenden Attacke irritieren. Wild entschlossen breitete er die Arme aus. Sein Bauch grummelte, doch war es diesmal positive Aufregung, die von ihm Besitz ergriffen hatte. Der Jet kam direkt auf ihn zugeschossen und er sah, dass auf seinem Rumpf die Nummer E 174 angebracht war. Der Jet stürzte vorbei und flog einen Kreis. Nun erkannte Taro, dass unter den Tragflächen Magnete angebracht waren. Als er ihn erneut umkreiste, wurde Taro bewusst, dass ein kleiner Elf im Cockpit saß und ihn wütend anfunkelte. Der Elf hob ein Sprechgerät an seine Lippen, welches seine Stimme laut verstärkte und quiekte: »Gib sie her!« Daraufhin richtete seinen Magnetstrahl auf ihn aus.
Taro ließ sich jedoch nicht beeindrucken. Er rückte seine Brille zurecht und spannte die Schultern an. Ja, der Moment war gekommen! Nun würde er endlich ein Held werden! Er holte tief Luft. »Shibaraku!«, brüllte er gegen das Heulen der Turbinen an. »Sofort aufhören!«
Doch es war zu spät. Mit voller Wucht feuerte der Elf seinen Magnetstrahl ab.
Gleißendes Licht umhüllte Taro, doch kein Schrei drang über seine Lippen. Unendlicher Schmerz durchdrang ihn, doch er war bewegungsunfähig. Er hörte die anderen entsetzt schreien und sah, wie sie die Hände über den Kopf zusammenschlugen. Alles schien wie in Zeitlupe abzulaufen. Er spürte, wie das Leben aus ihm glitt. Während seine Sicht sich zu einem langen Tunnel verengte, konnte er nur noch an eine Sache denken: »Ich wünsche mir, dass wir Superhelden werden.«


(Dein Wunsch ist mir Befehl!)

Das Licht am Ende des Tunnels wurde zu einem Fernsehstudio. Als Taros Augen sich an die hellen Scheinwerfer gewöhnt hatten, wurde ihm schlagartig bewusst, dass die vier anderen Jungen und er nicht nur frisch gekleidet waren, sondern sich auch noch an einem anderen, ihm unbekannten Ort befanden. Verwundert nahm er kurz seine Brille ab und rieb sich die Augen. »Sind wir tot?«
Eine Gestalt in der Mitte des Raumes waberte kopfschüttelnd hin und her.
Tauno hob kritisch eine Augenbraue und blickte sich um. Taro neben ihm sah aus, als hätte ihn nie ein Magnetstrahl getroffen. Wie alle anderen trug auch er seine Schuluniform, die aus einer rotbraunen Hose, einem weißen Hemd und einer rot-weiß-gestreiften Krawatte bestand. »Aber wie kann das sein, dass wir eben noch nackt vor der Sauna standen und von einem Monster angegriffen wurden, und jetzt hier sind? Das ergibt alles keinen Sinn!«
»Und ob!« Die Scheinwerfer richteten sich auf den Mittelpunkt des Raumes und offenbarten ein Wesen, welches wie ein Wassertropfen in der Luft schwebte. Strenge Augen blickten die fünf Jungen an. Das Wesen bestand eigentlich nur aus einem Kopf mit Augen, Mund und Haarlocke, sowie einer langen Geißel.
Ivan musste sich ein Lachen verkneifen. »Du siehst aus wie ein Sper…«
Das Wesen räusperte sich verärgert. »Ähem! Kein Kommentar über mein Aussehen! Das ist alles, was noch von mir übriggeblieben ist, nachdem ihr Idioten meintet, einen Saunaaufguss aus mir machen zu müssen!«
Fünf Augenpaare starrten das Wesen perplex an.
»Nun,« fuhr es fort, »es gibt für alles eine plausible Erklärung. Kurz gefasst heiße ich Blob und bin ein Flaschengeist. Gerade in diesem Moment befinden wir uns in einer Falte des Raum-Zeit-Kontinuums, welche ich erschaffen habe, um Taros Wunsch zu erfüllen.«
Taro jauchzte vergnügt. »Heißt das, wir werden nun Superhelden?«
Anders schüttelte genervt den Kopf. »Ich habe aber keine Lust, in Spandex und Cape Monster zu verprügeln.«
John, der als einziger anstatt normaler Schuhe ein Paar Badelatschen trug, stimmte ihm zu. »Eigentlich will ich bloß unsere Hütte und meine Küche wieder haben. Ich habe noch einen Kuchen im Ofen.«
»Ja, ja, schon klar!« Blob grinste, sofern es einem Wassertropfen überhaupt möglich war einen Gesichtsausdruck zu haben. Er drehte sich mehrmals um die eigene Achse und beschwor fünf Luken im Boden, aus denen fünf Bildschirme nach oben fuhren.
Taros Augen leuchteten vor Vorfreude und er klatschte aufgeregt in die Hände. Unruhig wippten seine Füße auf und ab.

Plötzlich wurde aus unbekannten Boxen ein fröhliches Lied gespielt und eine kindliche Computerstimme erklang. »Herzlich Willkommen beim Superhelden-Purikura, liebe Auserwählte!«
»Purikura!« Taro wusste sofort, was er tun musste und griff, ohne zu zögern, nach einem Stift, welcher am Rand seines Bildschirms befestigt war. »Purikura!«
»Was bitte ist Purikura?«, fragte Tauno und tat es ihm gleich.
»Irgendein fernöstliches Technikspielzeugding«, sagte Anders schulterzuckend und betrachtete den Bildschirm, auf dem seltsame Schriftzeichen erschienen, die nur Taro lesen konnte. Eine Fanfare ertönte. »Herzlich Willkommen im Do-It-Yourself Superhelden-Generator. Bitte scannen Sie zuerst ihren Fingerabdruck und unterschreiben Sie die Datenschutzerklärung.«
Bis auf Taro füllte jeder das Formular blind aus.
Blob schwebte von einem zum anderen und fügte hinzu: »Oh, die Übersetzung ist falsch. Das war keine Datenschutzerklärung, sondern das Einverständnis für Heldenaktivitäten, darunter eine Verzichtserklärung auf Schadensersatz im Fall von körperlichen und seelischen Schäden, die durch diese unentgeltliche Arbeit entstehen.«
»Bitte was?«, platzte es aus Tauno hinaus.
»Wer liest überhaupt die Datenschutzerklärung, geschweige denn irgendwelche anderen Formulare?«, sagte John und schmollte.
»Nicht lamentieren, schnell reagieren!«, trieb Blob sie an. »Vielleicht ist es euch noch nicht aufgefallen, aber oben am rechten Rand läuft schon die ganze Zeit ein Countdown. Ihr habt noch 60 Sekunden, um euer Outfit und eure Kräfte zu konfigurieren. Wenn ihr bis dahin nicht fertig seid, fällt diese Tasche im Raum-Zeit-Kontinuum in sich zusammen und ihr werdet von dem Elfen pulverisiert. Oh, tut mir leid, jetzt sind es dank meiner Erklärung nur noch 45 Sekunden! Schnell!«
Taro fühlte sich wie im siebten Himmel. Er kannte Purikura-Automaten bereits aus den Spielhallen im heimischen Kyoto, da er sie hin und wieder mit seinen großen Schwestern besucht hatte. Es waren Instant-Fotoautomaten, in denen man perfekt geschminkte Bilder mit großen Augen von sich machen und diese anschließend mit Stickern und Effekten verzieren konnte. Deshalb fiel es ihm leicht, sich Schritt für Schritt durch das Heldenmenü zu klicken und Schuhe, Rüstung und Verzierungen hinzuzufügen. Als er fertig mit seinem Outfit war, besiegelte er die Auswahl, indem er sich einen Heldennamen gab. »Sakura! Ich nenne mich Sakura! Wie meine liebste Heldin aus dem Fernsehen!«
Den anderen fiel die Konfiguration jedoch nicht so leicht. Anders stand der Schweiß auf der Stirn, denn die möglichen Varianten wirkten auf ihn, der immer perfekt über Mode und Trends im Bilde war, unpassend und altbacken. »Warum kann man nur eine Farbe auswählen? Das ist absolut langweilig und widerspricht jeglichem Sinn für Ästhetik!« Schweren Herzens entschied er sich für die Farbe Cyan und den Heldennamen »Spruce«.
Als er seine Auswahl bestätigt hatte, protestierte John lauthals. »Hey, das ist unfair! Ich wollte Blau haben!«
Blob schwebte zu ihm und blickte über seine Schulter. »Es tut mir sehr leid, aber jeder muss eine andere Grundfarbe haben, um die Verwechslungsgefahr gering zu halten. Übrigens, einen schicken Cowboyhut hast du dir ausgesucht!«
John nickte stolz und färbte seine Kleidung gelb ein. »Ein Outfit gebührend für einen wahren Amerikaner namens John Doe! Ich werde im Namen meiner Heimat kämpfen, und zwar mit dem Namen meiner Heimat … Captain America!« Ein großes X erschien auf dem Bildschirm und zeigte ihm an, dass dieser Heldenname aus urheberrechtlichen Gründen nicht verfügbar war. Zähneknirschend tippte er darauf das Wort »Mezcal« ein und bestätigte die Auswahl.
Zu seiner rechten lachte Tauno hysterisch. »Fantastisch! Einfach fan-tas-tisch!« Er schwang den Stift und färbte so viele Teile seines Outfits wie möglich in schwarz ein. »Und ich heiße natürlich … Metal!«
An seinem Bildschirm am anderen Ende fluchte und zeterte jedoch Ivan. »Verdammte Scheiße, der Kontrast ist viel zu hoch eingestellt!« Er kniff die Augen zusammen und versuchte, auf dem Display etwas zu erkennen, doch da er unter Albinismus litt und deshalb eine starke Sehschwäche hatte, war für ihn die Auswahl kaum zu bewerkstelligen. »Scheiße Mann, ich brauche meine Brille! Fuck, nur noch 10 Sekunden, fuck!« Ein Adrenalinstoß jagte durch seinen Körper und sein Herz pochte wie wild. Mit einem tiefen Atemzug versuchte er sich zu beruhigen und kniff erneut die Augen zusammen. »Okay, Heimatland, Russland. Name …«
Das Menü verblasste.
»Ey Mann, ich habe mir noch nicht einmal eine Farbe ausgesucht! Ist das etwa fair gegenüber Menschen mit Handicap?« Er zeterte und fluchte, doch seine Worte wurden durch einen magischen Piepton ausgeblendet, da sie gegen die vertraglich beschlossene Superheldenetikette verstießen.

Langsam fuhren die Bildschirme wieder in den Boden zurück und die Luken schlossen sich. Kurz darauf öffnete sich jedoch ein Tor vor ihnen und offenbarte eine große, silberne Sphäre.
»Ist nicht wahr, die Zauberkugel aus dem Fernsehen!« Taros Augen versprühten Sterne der Euphorie.
Anders fasste sich an die Stirn. »Kann ich bitte endlich aus diesem Albtraum aufwachen? Das ist noch schlimmer als Tauno nach einem langen Wochenende zuhören zu müssen, was er alles gemacht hat!«
»Hey!«, entgegnete Tauno entrüstet und schmollte übertrieben theatralisch. »Ich dachte, du bist mein bester Freund, Anders!«
Blob zischte an ihnen vorbei und öffnete die Zauberkugel. »Klärt eure Beziehungsprobleme später! Los, geht da durch und verwandelt euch!« Im nächsten Moment war er auch schon in einem Strudel aus Licht verschwunden.
Taro grinste vergnügt. »Jetzt werden wir alle Superhelden! Hurra!« Mit einem Hechtsprung folgte er Blob ins Licht und erwartete Glitzer, einen Sternenregen oder zumindest Blütenblätter. Doch nichts geschah. Nachdem er durch die Kugel gesprungen war, fiel er lediglich unsanft auf den Boden auf der anderen Seite. »Autsch!« Tauno, Anders, John und Ivan landeten ein weiteres Mal an diesem Tag auf ihm und seine Brille rutschte ihm von der Nase.
»Wow!«, sagte Ivan und sah sich um. Zum ersten Mal in seinem Leben konnte er seine Umwelt scharf sehen. Irritiert blickte er an sich herab. Er trug weiße Hosen in kniehohen mausgrauen Lederstiefeln, einen kurzen Mantel mit breitem, stahlgrauem Gürtel und Harnisch, sowie ebenfalls mausgrauen Schulterklappen, die mit einem großen Diamanten verziert waren. Sein Kopf wurde von einem schneeweißen Fellhut gewärmt. Er grinste schief. »Ich bin offenbar ein russischer Kosak geworden.«
Er sah, dass auch die anderen verwirrt ihre Kleidung betrachteten. Während John als bauchfreier Cowboy mit gelben Farbakzenten auf ihn wie ein Stripper auf der letzten Faschingsparty wirkte, sah Anders im cyanblauen dänischen Trachtenanzug höchst elegant aus.
Taro hatte nun endlich seine Brille wiedergefunden, deren Gestell im Zuge der Verwandlung magentafarben geworden war, und schien sich über sein traditionell japanisches Outfit zu freuen. Ivan erinnerte sich daran, dass er einmal in einem Bildband gesehen hatte, dass die Shinsengumi, eine Samuraimiliz aus der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, ähnlich gekleidet waren.
Als er jedoch zu Tauno blickte, platzte er fast vor Lachen. »Hallo, Legolas.«
»Hallo, weißer Wanderer«, antwortete Tauno trocken und machte ein Gesicht, als hätte er gerade eine Zitrone gegessen. Die Euphorie, die er während der Konfiguration des Outfits verspürt hatte, hatte sich in Luft aufgelöst. Naserümpfend ertastete er, dass ein paar Strähnen seines langen blonden Haares zu Zöpfen geflochten waren und ertastete am Hinterkopf eine sechseckige Brosche, die wohl, wie die Broschen an seinem Kragen und seinen spitz nach oben gebogenen Schuhen, aus einem silbern eingefassten Onyx bestehen musste. Sein Outfit hatte Ähnlichkeit mit der traditionellen Kleidung Lapplands, doch anstatt blau mit roten Streifen zu sein, war es fast komplett schwarz mit silbernen Streifen. »Interessant!«, urteilte er ernüchtert. »Nicht gerade ein Outfit, das ich auf einem Date anziehen würde, aber immerhin hält es warm.« Als seine Finger jedoch seine Ohren streiften, zuckte er überrascht zusammen. »Ach, deswegen nennst du mich Legolas? Weil ich jetzt spitze Ohren habe? Aber du doch auch!«
Blob flog zu ihm und zuckte mit den nicht vorhandenen Schultern. »Gefällt es euch? Das ist ein kleiner Bonus aus der Welt der Flaschengeister.« Er machte eine Art Verbeugung. »Tut mir übrigens leid, dass die obligatorische Verwandlung gefehlt hat, aber dafür hat die Zeit nicht mehr gereicht. Dafür erkläre ich euch nun kurz die Grundsätze des magischen Kampfes, also hört …«

Das Ende seines Satzes ging unter dem Dröhnen des Jets unter. Im nächsten Moment rauschte dieser mitten durch Blob hindurch und zerstob dessen Körper in tausend Wassertropfen.

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