High Angle B-Side Sample

High Angle B-Side

Publisher: Selfpublishing
Page count: t. b. a., with illustrations
Price: 4,99 €
ISBN: t. b. a.

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t. b. a.

Es war kaum zu glauben, dass es sie gab. Doch sie war da, selbst an einer so großen Schule. Die Rede ist von romantischer Stille. Stille, wie sie in alten Gemäuern vorkam: Hallende, tickende Standuhren, das Knarzen und Ächzen im Gebälk, romantisch knisternde Kaminfeuer, …
Nur nicht an dem Ort, an dem Wendy sich gerade befand, denn dort gab es nur eine alte Bibliothekarin, verschrumpelt wie eine getrocknete Pflaume, die jeden, der es nur wagte den Mund zu öffnen mit ihren flaschenbodendicken Brillengläsern anstarrte und wortlos den Zeigefinger an die Lippen legte.
Alles in allem war die Schulbibliothek also ein ziemlich langweiliger Ort, an dem mit Sicherheit nichts passieren konnte, was
Wendy auf irgendeine Weise zu einer Katastrophe machen konnte.
Die Bücherregale waren so vollgestopft, dass sie vor Gewicht fast schon im Fußboden versanken und die meisten Bücher so unappetitlich und verstaubt, dass sie niemand auch nur mit spitzen Fingern anfassen wollte. Der perfekte Ort also, um die Zeit bis zur Vertretungsstunde totzuschlagen.
Eigentlich wollte Wendy in Ruhe die neueste Ausgabe der
„Monthly Wrestling“ lesen, doch der Blick von Fräulein Trockenpflaume in ihrem Nacken ließ sie rastlos die Gänge auf- und abwandern. Jeder Schritt verursachte ein lautes Knarzen, sodass es unmöglich war, sich unauffällig in eine Ecke zu verkriechen und die Zeitschrift auszupacken.
Naja, vielleicht gab es unter all diesen Wälzern und Schinken ja doch ein Exemplar, das nicht unter ihren Fingern zerbröselte und sich gut als Versteck für ein Sportmagazin eignete…
Sie kniff die Augen zusammen und legte den Kopf in die Seite, um zumindest dem Anschein nach die Buchtitel lesen zu können, doch keines schien groß oder stabil genug für ihre Zwecke zu sein.
Argyrographie des Grauens, Quarternio und Sedez im Fokus der Gesellschaft, Tantiemen individuell reorganisiert, Inklusive
Pädagogik mit Hühnern, Hunden und Alpakas, die homoerotischen Aspekte der Tour de France in chronologischer Reihenfolge seit 1903.
Ist das überhaupt meine Sprache?
Fast war es ihr, als wollte sich ihr Gehirn im plötzlichen Fluchtreflex vor so viel geballter Intellektualität verflüssigen und durch die Nase hinaus auf den Boden tropfen.
Oh Mann… Vielleicht hatte das ja doch einen Grund, dass sie mich in die D-Klasse gesteckt haben!
Doch dann entdeckte sie doch noch etwas. Ganz hinten in der letzten Reihe stand ein Buch in passender Größe mit dunkelbraunem Ledereinband, auf das in teilweise abgeplatzten Goldlettern Folgendes geschrieben stand:

Wind – Die Chronik der Drachenritter.

Wendy zuckte mit den Schultern und befreite den Folianten aus dem Klammergriff des Regals, klopfte den Staub von seinem Deckel und wollte es gerade aufschlagen, als sie ein seltsames Geräusch vernahm.
Sie spitzte die Ohren und blickte sich um.
Was ist das nur? Stille.
Ich frage mich… Das kann doch nicht sein, dass hier jemand ist. Bei dem Boden würde selbst eine Maus noch Lärm machen… Dann wieder: Ein leises, fast nicht hörbares Schnüffeln. Wendy kniff die Augen zusammen und schärfte ihre Sinne.
Eins… Zwei… Drei!!
Sie schnellte herum, um dem plötzlich aufgetauchten Angreifer ihren Ellenbogen in die Rippen zu stoßen, doch bevor sie ihre Bewegung vollenden konnte, packte man sie rabiat am Nacken und zog sie am letzten Bücherregal vorbei in einen kleinen Raum.
RUMMS!

Die Tür knallte ins Schloss. Für einen kurzen Moment war es finster, dann zog jemand an einem Schalter und eine Glühbirne an der Decke verströmte schummeriges, gelbes Licht. Draußen blickte die Bibliothekarin von ihrer Lektüre auf, rückte die Brille zurecht und zuckte mit den Schultern. Schüler…
„Sag‘ mal, was fällt dir eigentlich ein? Hast du sie noch alle, mich hier in die Besenkammer zu ziehen?!“ blaffte Wendy ihren Entführer an, hielt dann aber für einen Moment inne und hob eine Augenbraue. „Also wenn du glaubst, dass rosafarbene Stirnbänder an Kerlen gut aussehen, dann muss ich dich leider enttäuschen!“
Der blonde Junge schnaubte vor Entrüstung und stemmte die Hände in die Hüften. „Prego? Dieses wunderschöne Stirnband ist nicht rosa, es ist lachsfarben! Ca-pi-sce?!“ Mit jeder Silbe kam er Wendy näher. Als er schließlich nur eine Handbreit von ihrem Gesicht entfernt war, schloss er die Augen, atmete tief ein und sagte verträumt: „Bellissima, deine kupferroten Haare riechen wundervoll nach gebratenem Speck!“
„WIE BITTE?!“ Wendy stieß ihn vehement von sich weg, sodass er gegen das Regal mit den aufgestapelten Putzutensilien fiel. Mehrere Lappen purzelten herunter. „Ich esse jeden Tag ein gesundes und gehaltvolles Frühstück! Wie meine Haare riechen geht dich ja wohl einen feuchten Dreck an!“ Ihre Stimme überschlug sich.
Ein Freak. Mit 100-prozentiger Sicherheit ein Freak.
Er lächelte, fuhr sich durch das blonde Haar und hob das Buch auf, welches Wendy vor lauter Schreck fallengelassen hatte.
Oh nein. Jetzt fängt der auch noch an zu glitzern! Ich glaube, mir wird schlecht!
„Du bist heute zum ersten Mal an unserer Schule und hast auf Anhieb die Chronik der Drachenritter gefunden, fantastico!“
Wendy verschränkte die Arme und legte skeptisch den Kopf schief. „Was redest du denn für einen Stuss?“
Es wurde echt immer besser. Erst wurde sie in die D-wie-Deppen-Klasse gesteckt (zum Glück war ihr wenigstens dort Thorstens Anwesenheit verwehrt geblieben), dann bekam der Klassenlehrer einen Herzinfarkt und jetzt war sie schon mit einem scheinbaren Geruchsfetischisten, der ein tuckiges Stirnband trug, Sterne sprühte und irgendwelches Kauderwelsch laberte, von dem sie nichts verstand, in der Besenkammer gelandet.
Hoffentlich bin ich heute Abend noch Jungfrau!
Der seltsame Typ strich über den Buchrücken und fuhr mit fast schon unheimlich ruhiger Stimme fort. „Du hast den Test bestanden. Unter all diesen Büchern hast du den Ruf dieses einen Buches vernommen.“
Was für ein Idiot. Definitiv. Am Ende verknalle ich mich noch in den!
„WIE BITTE?! Das war Zufall! Und nichts anderes!“ Sie war genervt. Sie wollte nur raus aus dieser Besenkammer und zurück in das staubige, muffige Keller-Klassenzimmer, das ihr auf einmal seltsam wohlig und angenehm vorkam.
„Ma si! Ich habe mich entschieden“, fuhr er fort und nahm eine theatralische Pose ein. „Du gehörst zu den Auserwählten. Du wirst ein Mitglied in unserem Lenkdrachenclub werden!“
„WIE BITTE?!“ Zum dritten Mal. Staub rieselte von der Decke, als wäre er durch ihre laute Stimme aufgeschreckt worden. „In dir schlummert ein echter Drachenkämpfer. Dafür bürge ich mit meinem Namen.“
Dafür bürge ich mit meinem Namen! Hört der sich überhaupt zu?
„Und ich … heiße Tornado Balotelli!“

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