»Kim ließ die prall gefüllten Einkaufstüten fallen und küsste ihn stürmisch. Olav legte seine Hände um Kims schmale Hüften und zog ihn zu sich heran. »Mmh … hah!« Was heute Mittag noch ein flüchtiger Kuss auf die Lippen war, wurde nun zu einem intensiven Zungenspiel. Bereitwillig ließ Olavs Kims Zunge in seinen Mund, stieß sie neckisch mit seiner eigenen an und drängte sie wieder zurück. Als sie sich atemlos voneinander lösten, hatten sich rote Flecken auf ihren Wangen gebildet. »Endlich. Ich wollte dich schon den ganzen Tag küssen.«
Kim hob die Plastiktüten auf und setzte sich aufs Bett. Im Fernsehen wurde gerade ein Zeuge von der Polizei verhört. Kim hob eine Augenbraue, griff nach der Fernbedienung und schaltete eine französische Sportsendung an, in der offensichtlich gerade über die Ereignisse der heutigen Etappe gesprochen wurde.
Olav setzte sich zu ihm und blickte schmunzelnd in die Einkaufstüten. »Als ich geschrieben habe, dass du Waffeln mitbringen sollst, sollte das eigentlich ein Scherz sein.« Er zuckte mit den Schultern und holte eine Packung heraus. »Egal. Ich habe sowieso noch Hunger.« Während er die erste Plastikfolie aufriss und die vier Waffeln darin im Eiltempo herunterschlang, holte Kim einen Eimer Vanilleeis aus der anderen Tüte und versenkte einen großen Löffel darin. Schulter an Schulter saßen sie auf dem Bett, aßen und sahen sich die Diskussionsrunde an. »Verstehst du Französisch?«
Kim nickte und riss die zweite Waffelpackung auf. »Ein bisschen.«
»Also ich kann nur drei Sachen sagen: Croissant, Baguette, la Tour Eiffel!« Er griff nach dem zweiten Löffel und schaufelte ebenfalls Vanilleeis in sich hinein. »Franzosen könnten einen beleidigen und man würde es nicht merken, weil sie sich dabei immer noch nett und eloquent anhören. Diese Sprache ist wie Weichspüler! Oh!«
Kim erhöhte die Lautstärke, da offensichtlich gerade über ihr Sprintduell gesprochen wurde.
»Mann, wie peinlich!« Olav war es unangenehm, sich selbst im Fernsehen zu sehen, doch er musste zugeben, dass er beim Sprinten doch eine ganz gute Figur machte. Noch einmal zeigten die Fernsehkameras seinen Siegesjubel, dann war der Einspieler vorbei und eine blonde Frau trat ins Bild. Erneut versenkte Olav seinen Löffel in dem Vanilleeis, das bereits zu schmelzen begonnen hatte. Es tropfte vom Löffel und blieb an seinem Kinn hängen. Er wischte es mit dem Handrücken ab. Die Dame schien scheinbar die Klatschexpertin des Senders zu sein. Sie erzählte eine Geschichte, von der Olav immer nur seinen eigenen Namen verstand.
Dann folgte ein weiterer Einspieler. Romantische Musik. Olav, der durch die Menge lief, sich fertigmachte und schließlich auf sein Fahrrad stieg. Der Siegesjubel in Zeitlupe. Neben ihm Kim, der seinen Kopf gesenkt hatte. Bis hierhin verlief der Videoclip also ganz normal.
Olav versenkte seinen Löffel ein weiteres Mal in der schmelzenden Vanillemasse.
Jetzt war Kim an der Reihe. Wieder Bilder von der Vorbereitung. Kim schwitzend auf dem Rollentrainer. Kim, der sich in Slow-Motion mit einem Handtuch über das Gesicht wischte und dabei einen viel sinnlicheren Eindruck machte, als Olav. Dann wechselte das Bild wieder zum Sprintduell des Tages. Olav im Siegesjubel, Kim mit gesenktem Kopf. Doch nicht lange. Der Einspieler ging weiter. Die Musik wurde immer poetischer. Kims Hand in Olavs Taille, Olavs Hand in Kims Taille. Dann plötzlich: der Kuss.
Das Eis landete auf Olavs T-Shirt.«